28.09.2020

Finanztest Spezial Patientenverfügung 2020

Grundsatzurteile zur Patientenverfügung


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Expertengespräch
Rechtsanwalt Wolfgang Putz erklärt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Herr Putz, Sie haben drei Grundsatzurteile beim Bundesgerichtshof (BGH) zur Patientenverfügung erstritten (siehe Seite 16). In allen drei Fällen lagen die früher – und
auch heute noch – weit verbreiteten Textvorlagen der evangelischen Kirche zugrunde. Warum kam es zum Streit?

In allen drei Fällen stritten Familienangehörige um die Frage, ob die Fallkonstellationen von der Formulierung der Patientenverfügung erfasst wurden. Es wurde in allen Fällen ergänzend eine Beweisaufnahme durchgeführt, um den Willen der Betroffenen zu ermitteln.

War die Formulierung nicht klar?

Tatsächlich genügten die ursprünglich gut gemeinten Texte der evangelischen Kirche für Patientenverfügungen in wesentlichen Punkten nicht den rechtlichen Anforderungen. Es musste ermittelt werden, was der wirkliche Wille der Betroffenen war, als sie unterzeichnet wurden. Darüber gab es verschiedene Darstellungen. Die Richter mussten würdigen, ob sich
ein eindeutiger Wille ermitteln ließ.

Warum halfen die Patientenverfügungen nicht weiter?

Zum Beispiel war lediglich formuliert, dass „lebensverlängernde Maßnahmen“ unterbleiben, „wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist, dass zum Beispiel keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht oder ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt“. Das ist eine Aneinanderreihung von untauglichen Formulierungen. Den Begriff „Lebensverlängernde Maßnahmen“ ließ der BGH nicht ausreichen, sofern tatsächlich nur diese Formulierung in der Patientenverfügung steht. Wenn aber ergänzende Darlegungen folgen, kann diese Formulierung ausreichend sein.

Was war zum Beispiel noch falsch?

Die Richter haben dargelegt, dass die Maximalformulierung hinsichtlich der Wiedererlangung des Bewusstseins, das „medizinisch eindeutig festgestellt ist …“, eine extreme Anforderung darstellt, die fast nie vom medizinischen Sachverständigen bejaht werden dürfte. Und es ist medizinisch nicht definiert, was „ein schwerer Dauerschaden des Gehirns“ ist. Es gibt auch heute noch in vielen Patientenverfügungen ähnliche, rechtlich untaugliche Formulierungen.

Wie gehen Laien ohne medizinische Kenntnisse vor, wenn sie eine Patientenverfügung erstellen?

Ich empfehle dringend: keine eigenen Formulierungsversuche. Es gibt inzwischen sehr gute Musterformulare, die den neuesten Anforderungen des BGH entsprechen. Im Fall einer
schweren Erkrankung sollten Patienten gemeinsam mit dem Arzt eine konkrete gesundheitliche Vorausplanung angehen und Behandlungswünsche in einer speziellen Patientenverfügung festlegen.

Was ist noch wichtig?

Es muss eine Vertrauensperson in einer Vorsorgevollmacht bestimmt sein, die eine Patientenverfügung durchsetzt. Manche Menschen sind aber nicht in der Lage, die emotionale Last und Verantwortung für den endgültigen Tod eines nahe stehenden Menschen zu tragen. Deshalb sollte die Wahl des Bevollmächtigten gut überlegt sein.
Wolfgang Putz ist Rechtsanwalt in München, Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilians-Universität und Autor des Buches „Patientenrechte am Lebensende“.

„Die Wahl des Bevollmächtigten sollte gut überlegt sein.“


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