25.06.2018

Ärzte Zeitung

Behandlungsfehler: In der Regel außergerichtliche Einigung


Juristische Forderungen wegen Fehlern betreffen Hausärzte eher selten. Aber wenn, dann können sie sehr belastend sein. Drei Fachanwälte, die meist Patienten vertreten, erläutern ihre Sicht der Dinge.
Von Christina Bauer

München. Schäden durch fehlerhafte Behandlung sind Patienten ein Graus. Ärzten allerdings auch, und dies umso mehr, wenn teure Klagen drohen. Die gute Nachricht für Hausärzte: Dass jemand von ihnen Schadenersatz oder Schmerzensgeld fordert, ist die absolute Ausnahme. Laut Behandlungsfehlerstatistik bearbeiteten Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern im Jahr 2017 im niedergelassenen Bereich 2054 Fälle, davon betraf nur jeder zehnte eine Hausarztpraxis. „Eine hausärztliche Haftung kommt relativ selten vor“, bestätigt Alexander Sessel im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“. Der Anwalt für Medizinrecht von der Münchner Kanzlei Putz, Sessel, Steldinger GbR arbeitet seit Jahren im Bereich Arzthaftungs- recht. Stelle ein Patient gegenüber niedergelassenen Ärzten Forderungen, dann meist an einen Facharzt. Die meisten Fälle betreffen Kliniken, und dort vor allem die Chirurgie. Ganz gingen Streitigkeiten aber auch an Hausärzten nicht vorbei. „Es gibt Fälle, in denen Hausärzte eine schwere Erkrankung nicht erkennen“, so Sessel. In Ausnahmefällen würden trotz klarer Hinweise etwa Herzinfarkte oder Schlaganfälle nicht erkannt. Statt den Patienten sofort an Notarzt oder Klinik zu überweisen, behandelt ein Hausarzt dann womöglich eine vermutete, harmlose Malaise wie Grippe oder Altersbeschwerden – mit möglicherweise fatalen Folgen. Sessel erinnert sich an den Fall einer 69-Jährigen aus dem Jahr 2014. Als deren Mann sie bewegungsunfähig zu Hause gefunden habe, habe er den Hausarzt gerufen. Statt sofort einen Krankenwagen zu schicken, habe der die beiden in die Praxis bestellt. Selbst nach EKG und Blutdruckmessung sei der Schlaganfall unerkannt geblieben. Die Patientin, eine Hypertonikerin, habe einen Blutdrucksenker bekommen. Erst am nächsten Morgen sei sie, in verschlimmertem Zustand, in eine Klinik gekommen, seitdem sei sie pflegebedürftig.

Vorsicht bei Umkehr der Beweislast
Da weder Arzt noch Versicherung einsichtig gewesen seien, habe der Fall vor Gericht verhandelt werden müssen. Der Gerichtsgutachter habe einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden nicht zweifelsfrei feststellen können. Der schwer kranken Frau seien dann in einem Vergleich 12 000 Euro zugesprochen worden. Die angesichts der schlimmen Folgen gering anmutende Summe dürfte damit zusammenhängen, dass der Behandlungsfehler als leicht bewertet wurde. „Die Beweislast liegt beim Patienten“, stellt Sessels Kollegin Beate Steldinger im Gespräch mit der ,Ärzte Zeitung“ fest. Nur bei einem schweren Behandlungsfehler kehrt sich die Beweislast um. Dann muss der Arzt beweisen, dass es keinen Ursachenzusammenhang zwischen Fehler und Schaden gibt. Das Beispiel zeigt, wie hoch die Hürden für Patienten oft sind. Gerichtsverhandlungen bilden dabei nur einen relativ kleinen Teil des Geschehens ab. „Wir beenden über 90 Prozent der Fälle außergerichtlich“, so Steldinger. Das bedeute oft, dass es eine Einigung mit der Haftpflichtversicherung gebe. Es könne aber auch sein, dass das Geschehen am Ende nicht als Fehler gewertet oder kein ursächlicher Zusammenhang mit dem Schaden festgestellt werde.

Diagnostik als Fehlerquelle
Fachanwalt für Medizinrecht Thomas Hofknecht von der Landshuter Dr. Jockisch Rechtsanwaltsgesellschaft sieht ebenfalls besonders die Diagnostik als Fehlerquelle. Er vertritt derzeit unter anderem einen Mandanten, bei dem in der Hausarztpraxis eine Malariaerkrankung nicht erkannt wurde. Der Mann musste am Ende mehrere Tage auf die Intensivstation. „Grundsätzlich ist die Frage, ob etwas ein Behandlungsfehler ist, sehr vom Sachverständigen abhängig“, so Hofknecht zur „Ärzte Zeitung“. Dessen Einschätzung folge das Gericht fast immer, nicht zuletzt würden manche Gutachten auseinandergenommen. Ärzten, die irgendwann mit juristischen Forderungen konfrontiert sind, rät Sessel: „Der Arzt muss sofort seine Haftpflichtversicherung informieren, um seinen Versicherungsschutz nicht zu gefährden.“ Die übernehme alles Weitere. Patienten zu sagen, dass ein Fehler gemacht worden sein könnte, ändere am Versicherungsschutz aber nichts.


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